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Mordserie in Oldenburg/Delmenhorst – Werbung um Vertrauen, aber womit?

Die bisher beispielslose Mordserie des ehemaligen Krankenpflegers Niels H. hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) veranlasst, um Vertrauen für die Krankenhäuser in Deutschland zu werben. Doch was braucht es, damit Vertrauen bestehen bleibt oder entstehen kann?

Der Vertrauensverlust für die Krankenhäuser durch solche Ereignisse ist nicht zu unterschätzen und kann dramatische Ausmaße annehmen. Zwar dürfen die Beschäftigten nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Doch zeigt der bis heute bekannte Sachverhalt und die Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der beteiligten Krankenhäuser, dass solche Geschehnisse in dieser Dimension nur möglich sind, wenn nicht nur einer etwas Schlimmes getan hat, sondern auch andere Versäumnisse zu beklagen sind. Selbst die DKG räumt ein, dass „in den beiden beteiligten Krankenhäusern tragische Fehler gemacht und Frühwarnsignale übersehen wurden“.

Es fehlte an einem funktionierenden Compliance-Management-System

Doch worum geht es? Um individuelle Fehler/Versäumnisse , ein nicht funktionierendes oder nicht vorhandenes Frühwarnsystem , eine Unternehmenskultur des Verschweigens oder maximalen Konformität oder um ein Organisationsverschulden (durch Unterlassen) auf der Führungsebene ?

Fragt man Führungskräfte, ob in ihrem Krankenhaus eine solche Mordserie oder auch nur Einzelfälle ausgeschlossen sind oder inwieweit sie mittlerweile Vorsorge getroffen haben, erntet man sehr oft erstaunte Blicke und überraschende Reaktionen. Die wenigsten Befragten können auf diese Fragen überzeugend antworten und guten Gewissens sagen, dass so etwas bei ihn nicht passieren könnte oder sie zumindest ein System hätten, das so etwas verhindern soll, in dem es auffallen würde oder gemeldet wird.

Sicher, niemand kann eine Garantie dafür abgeben und kriminelle Energie lässt sich nicht ausschließen. Doch nicht nur die Patienten und deren Angehörige, auch die Mitarbeiter und die Öffentlichkeit können erwarten, dass die Krankenhäuser aus diesem Fall gelernt und Konsequenzen gezogen haben. Dies bedeutet nichts weniger als ein System etabliert zu haben, bei dem solche Ereignisse wesentlich auffallen oder gar gemeldet werden.

Ob die Krankenhäuser wirklich, wie von der DKG behauptet, heute flächendeckend Instrumente installiert haben, die eine Wiederholung solcher Todesfälle ausschließen sollen“, darf bezweifelt werden. Haben wirklich alle Krankenhäuser Fehlermeldesysteme für anonyme Eingaben? Gibt es überall in den Kliniken Obduktionsquoten für zunächst unverdächtige Todesfälle und Todesfall­besprechungen? Immerhin gilt diese Aussage für ca. 1.950 Krankenhäuser und nirgends ist zu lesen, wie diese Instrumente aussehen.

Aus unserer Sicht würde dazu gehören:

  1. Regelmäßige, zumindest halbjährliche systematische Analysen sämtlicher Reanimationen und Todesfälle im Hinblick auf ungewöhnliche Häufungen, sei es auf bestimmten Stationen, zu bestimmten Zeiten oder bei bestimmtem Risikogruppen.
  2. Regelmäßige, zumindest quartalsweise, besser monatliche Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen
  3. Aktive Förderung einer Unternehmenskultur, in der nicht falsche Rücksichtnahme oder Solidarität unter den Mitarbeitern an erster Stelle steht, sondern die Patientensicherheit und die Einhaltung von Regeln.
  4. Ein anonymes Meldesystem, an das sich Mitarbeiter wenden können, wenn Ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt.


Zur Erinnerung:
Das sog. Neubürger-Urteil aus dem Jahre 2013 hat die persönliche Haftung des Vorstandes einer AG auf Verstöße gegen die Compliance-Pflichten ausgedehnt.

Letztlich bleibt die Unternehmensführung persönlich dafür verantwortlich, dass Recht und Gesetz in einem Unternehmen eingehalten werden. Dies betrifft solche Geschehnisse wie in Oldenburg/Delmenhorst genauso wie ganz alltägliche und weniger risikobehafte Bereiche. Seit der Entscheidung des Landgerichts München I vom 10.12.2013 (5 HKO 1387/10), dem sog. Neubürger-Urteil trägt der Vorstand einer AG (oder die Geschäftsführung einer GmbH) die Verantwortung dafür, dass die im Unternehmen Recht und Gesetz eingehalten werden. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass Unternehmen so organisiert ist, dass keine Gesetzesverstöße erfolgen. Seiner Organisationspflicht genügt ein Vorstandsmitglied nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet hat.

Hat er kein entsprechendes Compliance-System etabliert (oder funktioniert es aufgrund vorwerfbarer Versäumnisse nicht), haftet jedes Vorstands-/Geschäftsführungsmitglied persönlich für den eintretenden Schaden, und zwar selbst dann wenn er innerhalb des Vorstandes/der Geschäftsführung gar nicht für Compliance zuständig ist. Die geltend gemachten Haftungsansprüche gegen ehemalige Vorstandsmitglieder der Bilfinger & Berger AG (z.B. Roland Koch) oder bevorstehende Haftungsprozesse gegen ehemalige Vorstandsmitglieder der Volkswagen AG (z.B. Martin Winterkorn) werden diesen Zusammenhang nochmal eindrücklich in Erinnerung bringen. Für die Krankenhäuser gilt der gleiche rechtliche Rahmen und damit das gleiche Risiko. Sie sind gut beraten, wenn sie sich diesen Pflichten nachkommen und weder das Krankenhaus noch sich selbst solchen Risiken aussetzen.